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Kultur der Multikultur

Nirgendwo treffen in Kiel so viele Kulturen aufeinander wie in in Gaarden. Was bedeutet das eigentlich für die Kultur im Stadtteil?

Kulturschaffende, zumal die von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommenen, sind eher weiß, eher männlich und eher westlich. Also irgendwie so gar nicht Gaarden. Was mit ein Grund dafür ist, dass dieser Stadtteil unterschätzt, verkannt und allenfalls auf seine bei Lichte betrachtet noch nicht einmal besonders ausgeprägte Freilufttrinkerkultur reduziert wird.

Dabei strotzt der Stadtteil gerade so vor Kreativität, ist als Biotop wie geschaffen für (Über-)Lebenskünstler, Unangepasste, Querdenker, Sturköpfe und auch Schöngeister. Letztere müssen sich zugegebenermaßen vielleicht erstmal schütteln, weil dieses Biotop halt ein ganz anderes ist als beispielsweise das der netten alten Mu, wo die Guten unter sich, aber eben auch unter einer sozialen Käseglocke sind.

Akzeptiert einander, und reibt Euch aneinander. Das hingegen ist der Gaarden Style, anstrengender vielleicht, aber bestimmt fruchtbarer als die ganzen Oasen des Immergleichen. Spannend jedoch ist die Frage, wie die Gesellschaft mit diesen Gaarden Style – der im Übrigen der global dominierende sein dürfte – nutzt oder nicht nutzt.

Um die „Kultur der Multikultur“ geht es in diesem Sinne am Dienstag, 11. Juli, um 18 Uhr in der Schlecker-Galerie am Vinetaplatz. Unter Regie des Kultur- und Kreativrats Gaarden diskutieren Kreative aus Gaarden über die Vielfalt der Kulturen im Stadtteil und darüber, ob und wie diese Vielfalt in den offiziellen Kulturbetrieb einfließt. Beleuchtet wird das über die Sprache, die bildende Kunst und auch über die Alltagskultur, die beispielsweise in hohem Maße vom Leben im Freien geprägt ist. Mitdiskutierende Gäste sind ausdrücklich erwünscht.

Flyer gibt es migrantische KulturText: Martin Geist

Weltmusik mit der Safar-Band eröffnete das Kulturgespräch im Medusa.

In die Gaardener Seele investieren

Kultur- und Kreativrat diskutierte mit der SPD über die Potenziale und Bedürfnisse des Stadtteil

Gaarden ist ein Arbeiterstadtteil. Oder war es zumindest. Gaarden ist aber auch ein Kreativstadtteil. Oder könnte es zumindest werden.

Was vorhanden ist, was noch werden könnte und was dazu nötig ist: Darum drehte sich am 5. April im Medusa ein Gespräch, zu dem der Kultur- und Kreativrat, der SPD-Ortsverein Gaarden und das Kulturforum der Kieler SPD eingeladen hatten. Am Ende zogen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kultur- und Kreativrats ein durchaus hoffnungsfrohes Fazit: Womöglich könnten nach ihrem Eindruck die an diesem Abend geäußerten Worte nicht vergeblich gewesen sein.

Schön ist schon mal, dass sich die SPD überhaupt fürs kreative Gaarden interessiert. Andere Parteien tun das entweder nicht oder sie verbergen es geschickt. Sogar die gern die kulturelle Vielfalt preisenden Grünen scheinen lieber auf vergleichsweise monokulturell daherkommende Sozio-Biotope im Anscharpark oder in der alten Mu zu setzen.

Der Kulturrat wird gehört. Gert Haack vom Kulturforum der Kieler SPD sprach mit Viktoria Ladyshenski, Reyhan Kuyumcu, Germaine Adelt, Christian Leonhardt und Dirk Hoffmeister.

Der Kulturrat wird gehört. Gert Haack vom Kulturforum der Kieler SPD sprach mit Viktoria Ladyshenski, Reyhan Kuyumcu, Germaine Adelt, Christian Leonhardt und Dirk Hoffmeister.

Wacker versucht indes der Kultur- und Kreativrat seit dem Spätsommer 2015, die Fahne von Gaarden hochzuhalten. Hineingeraten in dieses Gremium sei sie zufällig, erzählte Gründungsmitglied Reyhan Kuyumcu von der Türkischen Gemeinde. Inzwischen, so betonte sie, „bin ich total froh, dass ich dabei bin“. Und genauso sieht es Viktoria Ladyshenski von der Jüdischen Gemeinde Kiel und Region: „Früher haben wir mehr oder weniger allein gekämpft, heute trägt jeder Einzelne dazu bei, dass alle stärker werden. Das könnte ein Beispiel für die ganze Stadt sein.“

Immer wieder kam in der folgenden Diskussion – der ein Stück wunderbare Weltmusik der aus geflüchteten und in Gaarden heimisch gewordenen Musikern zusammengesetzten Safar-Band vorausging – die Ermunterung zu neuem Denken in Amtsstuben und Parlamenten auf. Um die Szenen und Bewegungen in Gaarden zu stützen, sei oftmals nur relativ wenig Geld nötig, dafür aber Flexibilität, meinte Dirk Hoffmeister von der K34. Sein Vorschlag: Fördermittel den Bedürfnissen vor Ort anpassen und sie so zu verwalten, „dass nicht für fünf Anträge gleich eine neue Stelle im Rathaus nötig ist“.

Detlef Schlagheck, Kurator der Schlecker-Galerie am Vinetaplatz, hieb in dieselbe Kerbe: „Nutzen Sie die Kompetenzen der Ehrenamtlichen, die Experten für diesen Stadtteil sind!“ Zugleich verwies er aber darauf, dass es kein wirkliches Politikmodell sein könne, alles aufs Ehrenamt zu setzen und die entsprechend Aktiven sehenden Auges in prekären Verhältnissen zu belassen.

Landtagsabgeordneter Bernd Heineman (SPD) sicherte der Gaardener Kultur- und Kreativszene Unterstützung zu

Landtagsabgeordneter Bernd Heineman (SPD) sicherte der Gaardener Kultur- und Kreativszene Unterstützung zu

Worauf es in Gaarden grundsätzlich ankommt, das fasste Dirk Hoffmeister zusammen. Zu tun hat man es demnach mit vielen Familien fern fast aller Kultur, aber auch mit Künstlern, die von der Hand in den Mund leben. Hinzu kommen zugewanderte Künstler, denen der hiesige Kultur- und Kreativbetrieb besondere Herausforderungen abverlangt. Besonders hob Hoffmeister die Bedeutung der Soziokultur hervor. Gerade die kleinen Initiativen entfalten nach seiner Überzeugung höchst befruchtende Wirkung und können oftmals schon mit einer „Mikroförderung“ gestützt werden.

Andererseits wies Detlef Schlagheck darauf hin, dass Förderung auch unerwünschte Nebenwirkungen haben kann. Ausdrücklich lobte er zwar die „wirklich gute und freundschaftliche Zusammenarbeit“ mit der Muthesius-Kunsthochschule, die Folgen der vom Land auf den Weg gebrachten Vergabe von Atelier-Stipendien an deren Absolventen beschrieb er aber kritisch. Gefördert werden ausschließlich Ateliers im Anscharpark, viele Künstler, die in Gaarden ansässig sind, werden laut Schlagheck damit zum Nachteil des Stadtteils der lokalen Szene entzogen. „Unterstützen wir doch die Leute da, wo sie schon sind“, schlug der Kurator vor.

So ganz vergeblich könnten diese Worte wie gesagt vielleicht nicht gewesen sein. Gert Haack vom Kultuforum der SPD bekannte sich zur Unterstützung der „Kultur von unten“. Und der Ostufer-Landtagsabgeordnete Bernd Heinemann betonte: „Es lohnt sich, in Seelen zu investieren, wie Gaarden eine hat“. Konkret schlug er vor, den Wirtschaftsminister zum Dialog darüber zu bitten, wie die kreativen Potenziale des Stadtteils mit Mitteln der Wirtschaftsförderung gestärkt werden können.

Von Martin Geist