Wenn das Wohnzimmer zur Galerie wird

Privat und öffentlich zugleich wirkt ein neues Format in der Kieler Kulturlandschaft. Die im Stadtteil Ellerbek frisch aus der Taufe gehobene erste Wohnzimmer-Galerie in Kiel bittet für den 6. November zur Vernissage mit bemerkenswerten Bildern aus Berlin.

Einen Wohnraum zur Galerie machen, das

Lisa Wulf, Zekija Cengiz und Christof Klemmt (von links) in der ersten Kieler Wohnzimmergalerie.

lässt erst einmal an so etwas wie großbürgerliches Mäzenatentum im feinsäuberlich abgesteckten Kreis von Auserwählten denken. Es soll aber genau das Gegenteil stattfinden im Fargauweg 16, wo Zekija Cengiz, Christof Klemmt und Lisa Wulf ein Haus für die Kunst öffnen – und für die Menschen. 

Nach dem Willen von Christof Klemmt, der als Künstler wie als Mitbegründer des „Kunstraum B“ zu den bekannten Köpfen der Kreativszene in Kiel gehört, soll die Galerie „Wohnraum 16“ „ohne Schwellenangst“ Zugänge zu zeitgenössischer Kunst ebnen. Dieser Devise folgend mahnt im Fargauweg kein bemüht nüchterner oder prunkvoll gediegener Kulturtempel gebotene Ehrfurcht an.  Die aus dem Atelier der Berliner Malerin Anna Grau stammenden Bilder fügen sich vielmehr ein in ein ganz normales Reihenhaus. 

Platz bietet die Wohnzimmergalerie auch für Großformatiges. Immerhin zwei mal ein Meter misst die „Margarita“ von Anna Grau.

Zugestanden, das Haus in der vor rund 50 Jahren vom Architekten Klaus-Herbert Harm entworfenen Anlage lässt viel Licht herein und ist großzügig genug geschnitten, um heutzutage nicht gerade großbürgerlich, aber doch fast schon luxuriös zu wirken. Aber es wohnen darin einfach Menschen wie die Sozialpädagogin Zekija Cengiz, die auf die Idee zu dieser besonderen Galerie kam und damit beim Rest des nunmehr federführenden Trios sofort Begeisterung weckte.

„Es soll ein Bezug zwischen den Bildern und der Wohnung selbst entstehen“, beschreibt die Kielerin das Konzept. Die am Bauhaus-Stil orientierte Architektur, die Einrichtung, auch die im Haus lebenden Menschen mit ihren individuellen Spuren, das bildet im Idealfall ein Gesamtkunstwerk, das mehr vermittelt als den Eindruck bloß von Bildern an der Wand.

Anna Grau, 1980 in Moskau geboren und seit 1994 in Deutschland lebend, leistet einen wahrlich überzeugenden Beitrag, um diese Vorstellung zu verdeutlichen. Die Künstlerin zeigt, wie es auch der Ausstellungstitel sagt, „Frühwerke“, sofern in ihrem Alter davon überhaupt die Rede sein kann. Wichtig aber ist, dass sie Bilder voller Wucht, Kraft und Magie geschaffen hat mit ihren durchweg weiblichen Protagonistinnen, die sie mit vielerlei Charakteren versieht und in vielerlei Umgebungen eintauchen lässt. Mal engelsgleich, mal hexenhaft, mal leidend, öfter mal stark und selbstbewusst blicken diese Frauen auf Sofas, Tische, Skulpturen — und zuweilen sich gegenseitig an. 

„Communixating“: Dieses Bild von Anna Grau befindet sich im Treppenbereich.

Auf wunderbare Weise entsteht so ein Nebeneinander, das zugleich ein Miteinander ist und dem Gast auch dank der herzlichen Art des Galerie-Teams jederzeit vermittelt, willkommen zu sein, ja sich zuhause fühlen zu dürfen. 

Eindrücke vom zu Sehenden und kreative Impulse abseits des reinen Galerie-Geschehens platziert immer wieder als Dritte im Bunde Lisa Wulf auf Instagram. Vorgesehen sind während des auf vier Ausstellungen im Jahr angelegten Programms zudem Lesungen, Performance-Aktionen, Konzerte und andere Beiträge.

Vernissage der „Frühwerke“ von Anna Grau ist am Sonntag, 6. November von 15 bis gegen 18 Uhr mit einführenden Worten und Live-Musik. Danach sind die Bilder bis zum 5. Februar 2023 zu sehen, entweder anlässlich besonderer Veranstaltungen und gern auch nach telefonischer Absprache unter 01515 / 5656 057. Mehr auch unter Instagram: galeriewohnraum 16